|
AT-OeStA/HHStA RHR Judicialia Antiqua 111-12 Jahrsdorf contra Stein; Reichsritterschaftlicher Kriminalprozess wegen des Mordes an Hans Otto von Jahrsdorf und Versorgung seiner Witwe, 1656-1660 (Akt (Sammelakt, Grundzl., Konvolut, Dossier, File))
Angaben zur Identifikation |
Signatur: | AT-OeStA/HHStA RHR Judicialia Antiqua 111-12 |
Titel: | Jahrsdorf contra Stein; Reichsritterschaftlicher Kriminalprozess wegen des Mordes an Hans Otto von Jahrsdorf und Versorgung seiner Witwe |
Entstehungszeitraum: | 1656 - 1660 |
Frühere Signaturen: | Fasz. 111, Nr. 8 |
Darin: | Notariatsinstrument, Zeugenaussagen über den Tathergang, 1650 06 21 (Ausf.), fol. 6r-13v (u. a.); Vergleich zwischen den Parteien, 1652 08 24 (Abschr.), fol. 14r-16r (u. a.); Kommissions- bzw. Prozessakten, fol. 20r-425v, darin: Dokumente zur Bestallung des Fähnrichs Hans Hürtmann aus Agawang als Offizier sowie der Soldaten Paul Lang aus Mähren, Thomas Schneckle aus Ulm, Hans Agner aus München und Cronhart Liebhart aus Augsburg, ferner der Soldaten Georg Propst aus Winda (Polen?), Balthasar Kurtz aus Hamburg, Georg Schöppacher aus Großanhausen und Konrad Teuffer aus Rheinfelden durch die Ritterschaft zur Gefangennahme und Bewachung des Täters, 1656 12 01/11 und 1656 12 13/23, fol. 48r-49v; Eidesformel der Soldaten, [1656], fol. 50rv; Verzeichnis der Güter des Beklagten, 1656 12 14, fol. 59r-60v; Die Ritterschaft erklärt, ihre ritterlichen Mitglieder Hans Dietrich von Freyberg, Johann Heinrich von Pappenheim, Hans von Bemelberg, Johann Rudolf von Westernach, Hans Christoph von Frickenhausen, Konrad Sigmund von Muggenthal, Gero von Rechberg, Johann Jakob von Knöring, Wolf Ludwig Schertlin von Burtenbach, Wolf Christoph von Bernhausen, Hans Christoph von Rietheim und Ludwig Kolb von Reindorf zu Beisitzern und Richtern in dem Prozess ernannt zu haben, 1657 01 12/22 (Ausf.), fol. 82r-83v; Die von der Kommssion zu Subdelegierten ernannten Hans Dietrich von Freyberg, Johann Heinrich von Pappenheim und Konrad Sigmund von Muggenthal setzen Johann Michael Mayr, Lizentiat beider Rechte, als Ankläger ein, 1656 01 18 (Ausf.), fol. 84r-85v; Protokoll über den ersten Gerichtstag, 1657 02 06, fol. 87r-92v; Anklageschrift [1657 02], fol. 93r-96v; (1.) Verteidigungsschrift, 1657 02 09/19, fol. 99r-116v; Fragekatalog für eine am 1657 04 30 in Illertissen geplante gerichtliche Zeugenbefragung, fol. 162r-169v; Protokoll der Zeugenbefragung, fol. 175r-194v; Fürbittschreiber für den Angeklagten von: der Witwe, 1658 05/06 26/05 (Ausf.), fol. 361r-362v; wiederholt 1659 01 14 (Ausf.), fol. 370r-371v; Fürstpropst Johann Rudolph von Ellwangen, 1659 01 22 (Ausf.), fol. 374r-375v; Kurfürstin Maria Anna von Bayern, 1659 01 30 (Ausf.), fol. 435r-436v; ferner 1659 05 27 (Ausf.), fol. 474r-475v; von Stein, gesamte Familie, [1659 01] (Ausf.), fol. 376r-377v; Vollmacht des Angeklagten für Friedrich Wilhelm von Hagten, der bei dem neuen Kaiser Leopold I. in persönlicher Audienz um Gnade und Freilassung bitten soll, 1658 07 17/27 (Ausf.), fol. 363r-364v; Bittschreiben des Angeklagten an Leopold I., [07 1658] (Abschr.), fol. 365r-366v; Gutachten der Juristenfakultäten: Tübingen, 1658 11 13/23 (Ausf.), fol. 380r-394v; Ingolstadt, 1659 01 13 (Ausf.), fol. 395r-414v; Prozessprotokoll, 1659 01 28, fol. 415r-420v; Abschlußbericht der Kommission, 1659 02 06 (Ausf.), fol. 421r-425v; Urfehde des Angeklagten (gegenüber den Richtern), 1659 06 22 (Ausf.), fol. 426r. |
|
Angaben zu Inhalt und Struktur |
Kläger/Antragsteller/Betreff: | Jahrsdorf, Eva von, geb. von Bodman, Witwe, zu Oberstotzingen |
Beklagter/Antragsgegner: | Stein, Friedrich Adam von, zu Niederstotzingen |
Gegenstand - Beschreibung: | Die Witwe des Ermordeten führt aus, infolge der Tat des Beklagten sei das ganze Dorf Oberstotzingen “zu fideicommiss gefahlen” (fol. 3r), da kein Manneserbe mehr vorhanden sei. Dadurch seien sie und ihre Töchter in wirtschaftliche Abhängigkeit von dem Testamentsvollstrecker bzw. dem Verwalter des Fideikommisses geraten, der ihnen nur geringe Unterhaltsmittel zukommen lasse. Von der Schwäbischen Reichsritterschaft, Kanton Donau, sei es deshalb für ratsam angesehen worden, dass sie sich mit dem Täter und Beklagten vergleiche. Dessen Vater, David von Stein, habe laut einem vorbehaltlich der kaiserlichen Strafverfolgung vereinbarten Rezess von 1652 zugesagt, ihr Zinsbriefe im Wert von 7.000 Gulden zu geben. Dieser Vertragspunkt sei nicht erfüllt worden. Von einer Obligation der Grafen von Hohenlohe habe sie lediglich eine Abschrift erhalten, die einer Auskunft der Grafen zufolge ungültig sei. David von Stein sei 1655 05 15 gestorben, die Erbverhältnisse seien verworren. Sie erwirkt einen Kommissionsbefehl an die Schwäbische Reichsritterschaft, Kanton Donau, den Täter zu verhaften, einen Kriminalprozess nach den Grundsätzen der Carolina einzuleiten, Akten und Urteil einzuschicken, den Besitz David von Steins sowie des Beklagten zu ermitteln und ihr zu den vertraglich zugesicherten Wertpapieren bzw. zu ihrem Geld zu verhelfen. Vier Jahre später (1659 02) schickt die Reichsritterschaft die Kommissions- bzw. Prozessakten ein. Diesen Akten zufolge wurde der Täter 1656 12 11 in Jettingen gefangen genommen und anschließend in seinem Haus in Niederstotzingen unter Arrest gestellt. Der Prozess begann 1657 02 06. In der Anklageschrift heißt es, der Beschuldigte habe 1650 05 06/16 “under wegs von Sontheimb auf Niederstotzingen nahent bei dem Landtgraben” Hans Otto von Jahrsdorf, Mitglied der Schwäbischen Reichsritterschaft, Kanton Donau, “ohne einige Ursach ganz freventlich und hochsträfflich hinderwerts und ohnführsehener weiß angegriffen und jämmerlich erstochen und entleibet, in deme Er, Thäter, seinen Degen dem ernanten Herrn von Jarsdorff mit gantzem Gewalt in den Rücken und durch den leib gestossen, worauf seel. gedachter von Jarsdorff alsogleich angefangen zuesinken, die sprach zuverliehren und schwachheit halber weiter nit alß in deß bruders heußlein alhier zue Niederstotzingen gebracht werden, alda aber bald nit mehr reden und von dem todt übereilt, weder die heilige communion erraichen noch von dem hinzue berufenen bader einige hülf mehr haben können, sondern von so empfangenen todtstich gleich und erbärmlich sterben müssen” (fol. 93v). Der Angeklagte habe seine Tat geplant und vorsätzlich ausgeführt. Die Tat sei folglich als “homicidium voluntarium praemeditatum” (fol. 94v) anzusehen und die Todesstrafe zu verhängen. Der Angeklagte (bzw. dessen Anwalt, der Ulmer Rat Dr. Sebastian Otto) erwidert, Vorsatz sei weder gegeben noch durch die Zeugenaussagen nachweisbar. Der Getötete haben ihn kurz vor der Tat wegen einer Ungeschicklichkeit mit seinem Pferd als “Junges Roßmaul” und “Maulaffe” beschimpft (fol. 106r), woraufhin er, der er trotz seiner damaligen Minderjährigkeit schon zwei Jahre beim Militär verbracht und sich derartige Beleidigungen verbeten habe, ihm Streiche mit dem flachen Degen auf den Kopf verabreicht habe. Jahrsdorf habe seine Pistole gezogen. Er, der Angeklagte, habe daraufhin, sein Leben verteidigend, den Stoss ausgeführt, der Jahrsdorf unglücklicherweise das Leben gekostet habe. Der Stoss sei von hinter erfolgt, weil er sich zuvor aus der Schusslinie gebracht habe. Es sei im übrigen “aus dem gemeinen lauff der welt, |
| bevorab under Cavalliern bekhandt, das sich kheiner gern für ein Roßmaul, Roß- und Maulaffen, besonders der sein gewöhr ann der seithen und den Rahnen im feld vorhero schon geführet, tituliren lässt, sondern das ieder dafür helt, Er seye hierdurch höchstens ann seinem Ehrenstandt und Existimation laedirt und angegriffen” (fol. 107v). Er, der Angeklagte, habe also nur seine Ehre und sein Leben verteidigt, was jeder andere “Cavallier” auch getan hätte. Dass diese Verteidigung seinem Gegner das Leben gekostet habe, tue ihm leid. Er sei zum Tatzeitpunkt angetrunken gewesen. Der Ankläger erwidert darauf u. a., die Zeugenaussagen erwiesen klar, dass von Jahrsdorf seine Pistole erst nach dem Stoss gezogen habe. Im Juni 1658 bittet u. a. die Witwe Jahrsdorfs für den als Mörder ihres Mannes angeklagten von Stein. Sie habe sich mit ihm zu ihrer Zufriedenheit verglichen. Das von der Ritterschaft eingeholte Gutachten der Tübinger Juristenfakultät folgt in seiner Argumentation dem Ankläger, rückt aber im Hinblick auf das Strafmaß von der Todestrafe ab: Die von der Rechtslehre und der Carolina geforderte genaue Untersuchung der Leiche sei nicht erfolgt. Deswegen dürfe die Todesstrafe nicht verhängt werden. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beschuldigte die Witwe entschädigt, bereits zwei Jahre in Haft gesessen und durch deren Kosten fast sein ganzes Vermögen eingebüßt habe, lautet der Urteilsvorschlag: Der Beschuldigte habe “wegen begangener Mißhandlung sich in Hungarn wider den Erbfeindt des Christlichen Namens, den Türckhen, biß auff anderwertige kayserliche Begnadigung gebrauchen zu lassen” (fol. 393r). Ein ebenfalls eingeholtes Rechtsgutachten der Ingolstädter Juristenfakultät empfiehlt dagegen, dass Friedrich Adam von Stein “wegen der an Herrn Hans Otto von Jarstorf seel. begangnen gefährlichen entleibung mit dem schwerdt vom leben zum Tode hingericht werden solle” (fol. 414r). Das ritterschaftliche Gericht schließt sich mit seiner Entscheidung von 1659 01 28 dem milden Tübinger Gutachten an. Der Reichshofrat, der Jugendlichkeit und Trunkenheit nicht als strafmildernd ansieht, folgt mit seinem Votum hingegen dem strengen Ingolstädter Gutachten. Der Geheime Rat entscheidet, dass die Versorgung der geschädigten Witwe sowie die Kommissionskosten von 3.000 Gulden aus dem zu konfiszierenden Vermögen des Beschuldigten zu sichern seien, sieht von der Verhängung der “poena ordinaria” (also der Todesstrafe) ab und verurteilt den nach Wien zu überführenden Beschuldigten zunächst zu einjährigem Soldatendienst für die Republik Venedig, später zu einem einjährigen Dienst als einfacher Soldat in der Festung Raab. Von dort bittet Stein um vorzeitige Entlassung unter Verweis auf seine vorherige dreijährige Haft sowie auf seine großen finanziellen Einbußen, die er mit 8.000 Gulden für Haft, Kommission und Prozess sowie mit 9.000 Gulden für die Entschädigung der Witwe beziffert. |
Entscheidungen: | Kommissionsauftrag an die Schwäbische Reichsritterschaft, Kanton Donau, im Sinne der Klägerin, 1656 07 13 (Konz.), fol. 18r-19v, ferner (Ausf.), fol. 35r-36v; Zwischenurteile des von der Kommission eingesetzten Gerichts: 1657 03 02/12, fol. 128rv; 1657 04 04, fol. 143rv; 1657 06 02, fol. 195rv; Entscheidung desselben, 1659 01 28, fol. 420rv, ferner (besiegelte Ausf.), fol. 437r; Votum ad imperatorem, 1659 05 10, fol. 439r-452v, und Entscheidung im Geheimen Rat, 1659 04 07, fol. 452v; Mitteilung darüber an die Ritterschaft, 1659 04 07 (Konz.), fol. 453r-454r, ferner (Abschr.), fol. 482r-483v; Reichshofratsprotokoll, 1659 07 04, fol. 467r-468v, und Entscheidung im Geheimen Rat, 1659 07 09, fol. 468v; Mitteilung an die Ritterschaft, 1659 07 09 (Konz.), fol. 469rv; Anweisung an den Hofkriegsrat wegen der Verurteilung des Angeklagten zu einem einjährigen Dienst in der Festung Raab, 1659 09 11 (Konz.), fol. 479r. |
Umfang: | Fol. 1-489 |
|
|
Verwandte Verzeichnungseinheiten |
Verwandte Verzeichnungseinheiten: | keine |
|
Benutzung |
Erforderliche Bewilligung: | Keine |
Physische Benützbarkeit: | Uneingeschränkt |
Zugänglichkeit: | Öffentlich |
|
URL für diese Verz.-Einheit |
URL: | https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=3287473 |
|
Social Media |
Weiterempfehlen | |
|
|